VorOrt Nr.27, Februar 2004
(Auflage 13 000)

Vaihingens letzte linke Heimatzeitung

 


Vaihinger Grüne stimmen CDU um
Auch in den Honigwiesen kann jetzt gebaut werden

Wenn städtische Ämter die Zustimmung von Bezirksbeiräten einholen sollen zu Vorhaben, die auf Einzelinteressen gründen und zum Schaden der Allgemeinheit sind, dann verwenden sie meist einen kleinen, aber wirksamen Trick. Geht es z.B. darum, einen 5-stöckigen Bürokomplex in ein Naherholungsgebiet zu bauen, so zeigt man den Stadtteilvertretern neben diesem Plan gleich noch einen für den Bau eines Hochhauses am selben Platz.

Erfahrene Bezirksbeiräte kennen den Trick natürlich. Und fallen trotzdem immer wieder darauf herein. Im schönen Gefühl, Schlimmeres zu verhinderen, entscheiden sie sich freudig für die Zerstörung des Naherholungsgebiets durch den kleineren Bürokomplex.

Dieses Kalkül mag das Planungsamt auch geleitet haben als es dem Bezirksbeirat zwei Planvarianten für die Überbauung einer der letzten zusammenhängenden Grünflächen auf Vaihinger Gemarkung, den Honigwiesen, vorlegte. Die eine mit einer etwas schmaleren und niedrigeren Wohnbebauung entlang der Honigwiesenstrasse mit 28 Wohneinheiten und eine zweite mit 54 Wohnungen in sowohl dichterer als auch flächenintensiverer Bebauung.

Wohl vor allem im Hinblick auf die Fraktion der Grünen schien dieses Vorgehen angebracht, weil man sich erinnerte, dass diese seinerzeit die Bebauung der benachbarten Obstwiesen in den Lauchäckern abgelehnt hatte.

Und tatsächlich wurden von Seiten der Räte gleich ernste Bedenken gegen einen weiteren Eingriff in die in den letzten Jahren ohnehin erheblich reduzierten Vaihinger Grünbereiche laut, auf Grund derer man einer Bebauung nicht zustimmen könne. Die Bedenken hatte die CDU.

Der späten Einsicht, dass man nicht endlos weitermachen kann mit Naturzerstörung für wirtschaftliches Wachstum wurde von anderer Seite aber sogleich heftig widersprochen. Und zwar von – den Grünen. Schließlich lasse der Flächennutzungsplan, dem auch die CDU zugestimmt habe, eine Bebauung an dieser Stelle zu, man dürfe sie deshalb nicht ablehnen.

Die Grünen sprachen sich im übrigen für die dichtere und zugleich flächenfressendere Variante der Bebauung aus. Und wohl erstmals erreichten sie, dass sich die CDU von ihnen umstimmen lies und der Aufstellung des Bebauungsplans zustimmte, allerdings im Gegensatz zu SPD und Grünen mit Priorität für die „kleine Lösung", die inzwischen auch vom Gemeinderat zur Grundlage für das weitere Verfahren gemacht wurde.

 

 

Grüne Betonköpfe
von Gerhard Wick

Spätestens seit der Beratung über den Bebauungsplan Honigwiesen dürfte es auch den letzten klar sein: Grüne und Naturerhaltung haben nichts mehr miteinander zu tun. Zwar haben die Grünen auch schon der Zerstörung der wichtigen Frischluftschneise Unterer Grund, dem Bau des Audi-Zentrums mitten in eine Kleingarten-Anlage sowie der Vernichtung der Grünflächen am Bondorfer Weg zugestimmt.

Dass sie jetzt aber nicht nur am Ende auf die Linie der Betonfraktionen einschwenken, sondern sich selbst zum Motor von Naturzerstörung machen und gar die CDU in diese Richtung umstimmen, ist neu. Dass sie dazu den Flächennutzungsplan bemühen, als ob der nicht geändert werden könnte, wie kürzlich mit den Stimmen der Grünen zur Verkleinerung eines Grüngürtels zu Gunsten des Häussler-Daimler Molochs auf dem Fruchtsaft-Gelände, ist so fadenscheinig wie die Annahme der Grünen Stadträtin Marx, durch die Bebauung der Honigwiesen könne eine Bebauung der Streuobstwiesen am Rohrer Weg in Möhringen aufgehalten werden, naiv oder einfach nur dumm ist.

 

 

Schüler können bereits schöne Erfolge vorweisen
Vom Senator lügen lernen

Das Projekt Schwaben-Galerie und insbesondere das künftig den Ortskern dominierende Daimler-Chrysler-Schulungszentrum wurden vom Investor nicht nur weitgehend ohne Beteiligung der Bevölkerung, sondern vor allem gegen sie durchgesetzt. Dies geschah vielfach auch gegenüber Stadtverwaltung und Gemeinderat mit schlichten Falschaussagen. Stadträte und Verwaltung nahmen das aber offensichtlich nicht übel, sondern beschlossen einfach mit zu lügen.

„Ein Zentrum mit 20 000 m² wäre hirnrissig, diesen Bedarf gibt es nicht" (R. Häussler am 1.7.99 in der Stgt. Zeitg.). An sich nicht falsch, aber aus dem Munde eines Mannes, der dort über 50.000 m² Geschossfläche bauen will, doch etwas verlogen.

Bei der letzten Sitzung im Gutachterwettbewerb für das Schwabenbräu-Gelände erklärt R.Häussler zum Fruchtsaftgelände: „Flächen für gewerbliche Nutzung sind auf das nördliche Drittel begrenzt, ein Schulungszentrum soll auf der westlichen Hälfte dieses Streifens angelegt werden. Im mittleren Drittel werden Wohnungen entstehen, im südlichen Drittel wird ein Park angelegt."

Das war wissentlich gelogen. Zu diesem Zeitpunkt stand das über die Hälfte der Gesamtfläche einnehmende Modell des Schulungszentrums bereits seit vielen Monaten in der Vitrine des Hauses Häussler.

Anders als die ob soviel Täuschung eher empörte Öffentlichkeit, müssen sich Stadträte und Verwaltung wohl gesagt haben: Von Häussler lernen, heißt lügen lernen. Und viele brachten es dabei schnell zu schönen Erfolgen:

Baubürgermeister Hahn schließt die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass es einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb sowohl für den Nord- als auch für den Südteil geben wird" Gab's aber nicht.

Der Oberbürgermeister: „So werden auf dem Schwabenbräu-Areal in Vaihingen über 100 Wohnungen entstehen." Die Wahrheit: Keine einzige.

SPD und Grüne erklären jetzt, sie hätten sich für die Vaihinger Forderungen eingesetzt und wieder einmal durch Mitmachen das Schlimmste verhindert. Gelogen. Die meisten der aus Vaihingen kommenden Vorschläge haben sie im Gemeinderat nicht einmal beantragt und den Projekten auch dann zugestimmt, als ihre paar Änderungsvorschläge allesamt unberücksichtigt blieben.

Die Wahrheit am schönsten auf den Kopf gestellt aber hat wieder einmal der
Bezirksvorsteher, der folgendes schreibt:

„In mehrstufigen Verfahren wurden unter Beteiligung einer engagierten Öffentlichkeit zusammen mit dem Vaihinger Mitbürger und Unternehmer Rudi Häussler die Konzeption für das Nordareal mit der Schwaben-Galerie und das Südareal mit dem Daimler-Chrysler-Schulungszentrum (...) entwickelt.(...)"

 

 

Agenda 2010: In ernster Sorge um die Reichen
SPD: Loch in der sozialen Gerechtigkeit entdeckt

Was viele schon lange argwöhnten, den Genossinnen und Genossen, die jetzt Freundinnen und Freunde heißen, wurde es auf dem letzten Parteitag der Sozialdemokraten vom Vorsitzenden Kanzler noch einmal genau erklärt: In der sozialen Gerechtigkeit, dem ganzen Stolz der Partei, klafft ein riesiges Loch.

Durch den jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung war folgendes zu Tage gekommen: Die 90% der bundesdeutschen Bevölkerung, die mehrheitlich Tag für Tag locker an irgendwelchen Fließbändern herumlungern, sich ihre Zeit in Büros vor bunten Bildschirmen vertreiben oder in gesunder Luft in Wäldern und Feldern körperlicher Ertüchtigung nachgehen, besitzen fast die Hälfte des Geldvermögens, während jene kleine Minderheit von gerade mal 10% der Bundesdeutschen, die in Vorstandsetagen und auf den Malediven tagein, tagaus schweißtriefend die Last der Verantwortung durch die Gegend schleppen, zusammen nur ein klein wenig mehr besitzt.

Dies, so erklärte der Kanzler den Freundinnen und Freunden, kann nicht das sein, was wir immer wollten und weiter wollen: Soziale Gerechtigkeit. Wo bleibt da der Schutz von Minderheiten? Diejenigen, die die schweren Lasten des Reichtums tragen, müssen dafür irgendwo entlastet werden. Steuerlich zum Beispiel. Was dann an Einnahmen fehlt, sollen die unteren 20 % aufbringen, die ohnehin verschuldet sind, es also nicht mehr drauf ankommt.
Das leuchtete den meisten ein und sie stimmten freudig der Agenda 2010 zu.

 

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah'n sich an.
Und der arme sagte bleich:
Wär ich nicht arm,wärst du nicht reich. 
Bertolt Brecht

 

 

Gläserner Campus, Südseite

 

 

UN-Embargo verursachte Armut und förderte Islamismus
Entwicklungen im Irak

Über die Lage im Irak vor und nach der US-Invasion sprach VorOrt mit Yasmin El Hakim. Frau El Hakim lebte von 1973 – 1995 in mehreren irakischen Städten, dem südlichen Kut, in Bagdad und ab 1982 in Dujail. Hier der zweite Teil des Interviews zu den Auswirkungen des UNO-Embargos auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung im Irak.

VorOrt:
Du sagtest, mit den UN-Sanktionen seit den 90-er Jahren sei die Armut im Irak eingekehrt und gleichzeitig ein zunehmendes Auseinanderklaffen von vielen sehr armen und wenigen sehr Reichen zu beobachten gewesen. Gab es weitere Auswirkungen des Embargos?

Yasmin:
Ja, die aber durchaus mit diesen zusammenhängen. Ich sagte ja bereits, dass die Ba'th-Partei und die irakische Regierung eine sehr weltliche und auf Gleichberechtigung zielende Politik verfolgte. Eine Unterdrückung von Frauen wie in islamischen Ländern gab es im Irak nicht. Frauen hatten dieselben Ausbildungsmöglichkeiten wie die Männer, an den Unis traf man viele Studentinnen, selbstverständlich ohne schwarze Kutten und ohne Verschleierung, viele geschminkt und sogar in Miniröcken.
Mit den immer miserabler werdenden Lebensbedingungen in Folge des UN-Boykotts und auch der immer wiederkehrenden US-Bombenangriffe war zu beobachten, dass immer mehr Menschen einen Halt in der Hinwendung zu dogmatischer Religiosität suchten. Heute sieht man kaum noch Frauen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit und wenn, so kann es sein, dass ihnen auf dem Markt nichts verkauft wird.

Diese Veränderungen waren nicht von oben diktiert, sondern setzten sich im Gegenteil als gesellschaftliche Entwicklung gegen den Staat durch, der sie einerseits zu bekämpfen versuchte, ihr dann aber auch Zugeständnisse machte, z.B. Moscheen errichten lies und sich selbst religiös gab, wohl in der Hoffnung, so die erstarkenden islamischen Bewegungen an sich binden zu können.

 

 

„Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht"
Neue Schulen braucht das Land

von Edwin Bader

Nachdem die Ergebnisse der Pisa-Studie 2002 zeigten, was viele schon ahnten, nämlich dass die Qualität der deutschen Schulen zu wünschen übrig lässt, versucht nun das Kultusministerium Baden-Würtemberg mit dem neuen Bildungsplan 2004 gegenzusteuern.

Unter anderem wird verstärkt auf Fächer übergreifendes Lernen in Projekten gesetzt. In „selbst organisiertem Lernen" (SOL – so der Titel einer aktuellen Broschüre des Kultusministeriums) sollen die Schüler Kompetenzen erwerben, statt auswendig zu lernen.
Das klingt gut, die Frage ist nur, wann die gut gemeinten Vorgaben in die Praxis umgesetzt werden.

In der Zwischenzeit entstehen bereits vielerorts Schulen in freier Trägerschaft, die konsequent auf ein Lernen setzen, das vom Kind ausgeht. Nachdem in den letzten Jahren so genannte „aktive" Schulen in Tübingen, Stuttgart-Rohracker und Altenried gegründet wurden, bemüht sich nun der Verein „Freie aktive Schule auf den Fildern e.V." um eine Kooperation mit dem Aktivspielplatz Musberg, um dort den Betrieb einer Grundschule ab Herbst 2004 aufzunehmen.

Das pädagogische Konzept der Schule bezieht sich auf bekannte Reformpädagogen wie Montessori, Freinet, Wild etc. und stellt selbst organisiertes Lernen, ganz im Sinn des neuen Bildungsplans, in den Mittelpunkt. Vorwiegend in Freiarbeit sollen die Kinder Lernmaterialien, Werkstätten und Außengelände nutzen, und so ihre kindliche Neugier und Freude am Lernen erhalten. Die Freie aktive Schule sieht ihre Aufgabe darin, die Schüler bestmöglich auf spätere Anforderungen vorzubereiten, und nicht nur Wissen zu vermitteln. Ein Lernklima in gegenseitigem Respekt soll Qualitäten wie Entscheidungsfähigkeit, Selbstständigkeit, Kreativität, soziale Kompetenz und Verantwortung fördern. Noten soll es keine geben, statt dessen jahrgangsgemischte Gruppen, in denen jeder in seinem Tempo lernen kann, ohne als Versager oder Streber dazustehen, womit übrigens Pisa-Spitzenreiter Finnland beste Erfahrungen macht. Dort gibt es bis Klasse Acht keine Noten.

Bei einer ersten Infoveranstaltung der Schulgründer zeigte sich großes Interesse bei Eltern aus Leinfelden-Echterdingen, Vaihingen-Rohr, Filderstadt und Waldenbuch-Steinenbronn. Der Antrag auf Genehmigung der Schule ist bereits beim Oberschulamt eingereicht, und es bleibt zu hoffen, dass das mutige Schulprojekt auch sonst die nötige Unterstützung bekommt.

Die Schulgründungsinitiative "Freie aktive Schule auf den Fildern e.V." informiert im Internet unter
www.pieks-fas.de, oder am Telefon 0711/ 7477860 oder 0711/ 7354186.

Infoabend: Mittwoch, 11. Februar 2004, Aktivspielplatz Musberg, Böblingerstr.64 ab 20.00 Uhr

 

 

Neu in Vaihingen:
Rudi-Häussler Bürgerforum, Rudi-Häussler Bürgersaal, Herbert-Burkhardt-Schleimspur

Aus der Einladung des Bezirksvorstehers zur Bürgerversammlung am 8. März:

„In mehrstufigen Verfahren wurden unter Beteiligung einer engagierten Öffentlichkeit zusammen mit dem Vaihinger Mitbürger und Unternehmer Rudi Häussler die Konzeption für das Nordareal mit der Schwaben-Galerie und das Südareal mit dem Daimler-Chrysler-Schulungszentrum (...) entwickelt.(...)

Ab Mitte des Jahres folgen dann die Eröffnung des Schulungszentrums, der Läden und des Häussler-Bürgerforums. Hoch erfreut (...)und außerordentlich dankbar sind wir darüber, dass die lokale Kultur mit dem Häussler-Bürgerforum und der sanierten Kelter deutlich verbesserte Rahmenbedingungen erhält.

Im Häussler-Bürgerforum findet der Bezirk Vaihingen der Musikschule eine Heimat. Drei Vereinsräume bieten für das Vereinsleben völlig neue Möglichkeiten, und der Rudi-Häussler Bürgersaal gibt einen festlichen Rahmen für Veranstaltungen mit bis zu 500 Besuchern. Herrn Senator h.c. Häussler danke ich für sein Eintreten und seine großzügige Förderung sehr herzlich."

 

 

Engelszunge

„Wer seinen Pflug von ein paar mageren Ochsen ziehen lässt,
der ist ein Häusler und muss das Maul halten. (Ludwig Thoma)