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Anzeige wegen vermuteter Rechtsbeugung und Nötigung, ersatzweise Dienstaufsichtsbeschwerde

gegen /unbekannte/ Beamte der BPA Göppingen, stellvertretend gegen die Einsatzleitung der Polizei, vertreten durch die LPD Stuttgart

 

Anlass: Polizeiliches Verhalten und Übergriffe bei der Demonstration gegen das geplante neue Versammlungsgesetz am 6.12.2008 in Stuttgart

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich war Teilnehmer der Demonstration am 6.12. 2008 in Stuttgart gegen die geplante Verschärfung des Versammlungsrechts in Baden-Württemberg.

 

Dabei wurden nach meinen Beobachtungen und Feststellungen (die auch von Dritten bezeugt werden) wesentliche Grundrechte, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Versammlungsgesetz uam. festgehalten sind, durch Ihre Beamten verletzt.

1. Offensichtlich verstieß die Kontrolle bestimmter Personen im Vorfeld der genannten Kundgebung gegen Artikel 3, 1 und 3 des Grundgesetzes, weil ersichtlich war, dass die von den Kontrollen Betroffenen wegen ihrer politischen Anschauungen kontrolliert und dadurch benachteiligt wurden. Dazu: (Artikel 3: (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (3) Niemand darf wegen … seiner … politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

2. Verletzt wurde in eklatanter Weise durch Sie oder Ihre Erfüllungsgehilfen weiter der Artikel 5 des Grundgesetzes: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Sie haben durch unverhältnismäßig starke Polizeipräsenz und Ausrüstung Passanten eingeschüchtert und davon abgehalten, die öffentliche Versammlung zu besuchen. Sie haben außerdem den Artikel 8 des GG missachtet: (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, in dem Sie oder Ihre Erfüllungsgehilfen Passanten unberechtigterweise gestoppt und nach ihrem Weg und Ziel befragt haben. Sie haben ferner Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Kundgebung besuchen wollen, durch vollkommen überzogene Taschen-, Gepäck- und Körperkontrollen (bis hin zum Abasten auch in den Schritt) am Besuch der Veranstaltung gehindert, indem Sie Ihnen den Zugang verwehrten, wenn sie sich den diskriminierenden Kontrollen nicht unterziehen wollten.

Sie höhlten damit das bestehende Versammlungsgesetz aus: VersammlG § 1:
(1) Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. 

Sie haben ferner den § 7 VersGs missachtet, nachdem nicht Sie, also die Polizei, sondern der Leiter der Versammlung das Hausrecht ausübt: VersammlG § 7: (4) Der Leiter übt das Hausrecht aus.
Sie haben vor und während der Kundgebung in der Lautenschlagerstraße innerhalb des Kundgebungsgeländes ohne Aufforderung durch den Versammlungsleiter Kontrollen durchgeführt und Teilnehmer der Versammlung provokativ, unhöflich und ehrverletztend behandelt.

Sie haben gegen § 12 des Versammlungsgesetzes verstoßen, indem sich Ihr filmenden und fotografierenden Beamten dem Leiter nicht zu erkennen gaben und zudem aus versteckten Positionen heraus vor und während der Kundgebung filmten und fotografierten.

(VersammlG § 12: Werden Polizeibeamte in eine öffentliche Versammlung entsandt, so haben sie sich dem Leiter zu erkennen zu geben…)

Sie haben außerdem gegen den § 12a VersammlG § 12a verstoßen: (1) Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden …

Sie oder Ihre Erfüllungsgehilfen haben mich während und nach meinem Protest gegen eine Unhöflichkeit der Polizei fotografiert und gefilmt – weder wurde ein Beamter beleidigt oder gar bedroht oder in anderer Weise behelligt, es ging lediglich um eine einfache Beschwerde. Diese Praxis wurde vielfach auch bei anderen Gelegenheiten angewandt, quasi kam jeder „aufs Bild“, selbst wenn er sich in der harmlosesten Weise z.B. über die Präsenz der Polizei beschwerte. Die fotografierenden / filmenden Beamten waren nicht bereit, mir ihre Dienstnummer zu nennen.

Ich fordere Sie auf: „(2) Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden. …

VersammlG § 19a: Für Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen gilt § 12a.

Beamte vor allem der BPA Göppingen haben während der folgenden Demonstration mehrfach Fotografen absichtlich angerempelt, was offenbar nicht nur der Einschüchterung diente.

Sie haben schließlich eine Ihrer vornehmsten Pflichten verletzt, wie sie u.a. im Polizeigesetz Baden-Württemberg festgeschrieben ist:

Allgemeines

(1) Die Polizei hat … insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung und die ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten.

Mir sind vom Hörensagen zahlreiche weitere und ähnliche Zwischenfälle bekannt geworden. Ich kann mir das Verhalten der Beamten erklären: Möglicherweise waren einige an „Zoff“ und Provokation interessiert, um das Bild einer gewaltbereiten Autonomen Szene besser transportieren zu können. Erfreulicherweise hat das nur bedingt geklappt – viele Passanten riefen spontan „Polizeistaat“. Dem schließe ich mich gern an.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Grohmann

8.12.2008

elektronisch versandt am 8.12.2008, 18:54