28.12.2002
junge welt
Ausland
Wolfgang Pomrehn
 
Jahr der Superlative
 
Neueste globale Klimadaten demonstrieren die ungebremste Erwärmung des Planeten
 
Das zu Ende gehende Jahr war das zweitwärmste seit dem Beginn der Aufzeichnungen der Lufttemperatur. Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Bericht der Weltmeteorologie Organisation (WMO) in Genf hervor. Demnach war es im globalen Mittel nur 1998 wärmer. Zugleich wurden die zehn wärmsten Jahre der vergangenen 140 Jahre in der Zeit seit 1986 beobachtet. In Großbritannien, das über die längsten verläßlichen Meßreihen verfügt, die bis 1659 zurückreichen, war das Jahr 2002 sogar eines der wärmsten der vergangenen 340 Jahre.

In Deutschland lagen vor allem Winter und Frühjahr über dem langjährigen Mittel der Jahre 1961 bis 1990, die gewöhnlich als Referenzperiode gelten. Die höheren Wintertemperaturen bestätigen die Vorhersagen der Klimamodelle, die davon ausgehen, daß es eine Erwärmung vor allem in der kalten Jahreszeit geben wird. Besonders besorgniserregend ist, daß sich der Temperaturanstieg beschleunigt hat. In der Periode seit 1976 ist der Trend etwa dreimal so groß, wie über das ganze zwanzigste Jahrhundert gerechnet.

In verschiedenen Regionen des Globus war das Jahr 2002 eines der Extreme. Das arktische Meereis war im September weiter zurückgegangen als in irgendeinem anderen Jahr seit 1978, als zum ersten Mal entsprechende Messungen per Satellit vorgenommen wurden. Entsprechend war die Fläche sommerlichen Abtauens auf dem Grönland-Gletscher größer als je zuvor. Kanada erlebte den kältesten Frühling seit Menschengedenken, Schweden den wärmsten Sommer seit 1860 und Nordindien stöhnte im April und Mai unter einer Hitzewelle, an deren Folgen mehrere hundert Menschen starben. Am 10. Mai wurden in Gannavaram im Bundesstaat Andhra Pradesh 49 Grad Celsius gemessen.

Zinnwald im Osterzgebirge registrierte hingegen den höchsten bis dato in Deutschland gemessenen Niederschlag. Dort fielen vom 12. August sieben Uhr bis zur gleichen Zeit des nächsten Tages 312 Millimeter Niederschlag. Die Folgen, die Jahrhundertflut an der Elbe und einigen Nebenflüssen, hielten Deutschland und die Tschechische Republik für Wochen in Atem. Die Schäden allein in Deutschland werden auf rund neun Milliarden Euro geschätzt. Auch zahlreiche andere Regionen wurden 2002 von Überschwemmungskatastrophen heimgesucht. Vor allem in Asien, Europa und Afrika fielen ihnen Tausende Menschen zum Opfer.

Zahlreiche Wissenschaftler haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus den historischen und aktuellen Temperaturmessungen einen Datensatz zusammengetragen, der ein verläßliches Bild von der Entwicklung der mittleren Temperatur der bodennahen Luft seit etwa 1860 gibt. Die aktuellen Daten werden von den nationalen Wetterdiensten der 185 WMO-Mitgliedsländer gesammelt und vom britischen Hadley Centre auf einen globalen Mittelwert umgerechnet. Dabei gehen sowohl Messungen von Landstationen als auch von Schiffen und Meßbojen ein. Längere Zeitreihen, die etwa 1000 Jahre zurückreichen, wurden aus der Stärke von Baumringen und einer Reihe anderer biologischer Indikatoren abgeleitet und zeigen, daß das globale Klima im zurückliegenden Jahrtausend nie zuvor so warm war, wie zum Ausgang des 20.Jahrhunderts.

Die Klimaerwärmung wird inzwischen von der überwältigenden Mehrheit der Wissenschaftler dem Anstieg der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zugeschrieben, deren wichtigstes das Kohlendioxid ist. Dieses wird durch Entwaldung sowie das Verbrennen vom Erdöl, -gas und Kohle freigesetzt. Erst im Herbst diesen Jahres hatte ein Bericht des Hadley Centres gewarnt, daß selbst wenn die Treibhausgaskonzentration auf dem gegenwärtigen Wert stabilisiert werden würde, wofür die weltweiten Emissionen sofort um mehr als die Hälfte reduziert werden müßten, das Klimasystem noch 1000 Jahre mit den Folgen zu kämpfen hätte. Das liegt zum einen an der großen Trägheit, die einigen Komponenten wie zum Beispiel dem ozeanische Tiefenwasser oder den großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis eigen ist, zum anderen gibt es positive, das heißt verstärkende, Rückkopplungen. So wird in vielen Regionen der Boden in einen wärmeren Klima vermehrt Kohlendioxid emittieren. Ebenso ist damit zu rechnen, das in den hohen Breiten der Permafrost weiter auftaut und an seine Stelle Sümpfe treten, aus denen Methan, ein anderes, wesentlich effektiveres Treibhausgas, entweicht. Jason Lowe, einer der Autoren des Hadley-Centre-Berichts: »Einige Teile des Klimasystems brauchen Jahrhunderte oder gar länger, bevor sie sich auf die neuen Randbedingungen eingestellt haben. Entsprechend werden die heutigen Treibhausgasemissionen noch in Jahrhunderten Erwärmung und Meeresspiegelanstieg verursachen.«

Für 2003 sagen die Meteorologen des Hadley Centres, das zum britischen Wetterdienst gehört, voraus, daß die globale Temperatur weiter ansteigen wird. Mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit werde es so warm oder wärmer wie 1998, dem wärmsten bisher gemessenen Jahr. Die Wahrscheinlichkeit, daß die globale Mitteltemperatur unter den Wert von 2002 sinken wird, betrage nur 20 Prozent. Im Hadley Center hatte man bereits mit erheblicher Präzision den globalen Mittelwert für 2002 vorhergesagt.