VorOrt
Nr.22, September 2002 Zeitung für das andere Vaihingen
Wahlen zum Deutschen Bundestag Ein Lehrstück in Sachen politischer Unterschiede der jetzt wieder zur Wahl stehenden Parteien und der „kleineren Übel" erhielt die interessierte Vaihinger Öffentlichkeit kürzlich bei der Beratung und Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Fruchtsaftgelände in der Ortsmitte. Unter dem Applaus der zahlreichen Vaihinger Zuhörerinnen und Zuhörer
erklärten die Sprecher von SPD und Grünen im Bezirksbeirat,
was der SPD-Ortsverband in einer Wahlkampfzeitung bereits allen Haushalten
mitgeteilt hatte: Die allein zwischen dem Oberbürgermeister und
Immobilienkonzernherrn Häussler ausgemauschelten Pläne für
das Fruchtsaftgelände widersprächen allem, was bisher für
eine Neugestaltung der Ortsmitte parteiübergreifend für sinnvoll
erachtet worden sei, sprächen selbst minimalen ökologischen und
städtebaulichen Gesichtspunkten Hohn und seien insgesamt „eine
Katastrophe für Vaihingen", die niemals zur Grundlage eines
Bebauungsplans gemacht werden dürften. CDU, FDP und Freie Wähler
hatten zwar keine Begründung, begrüßten die Pläne aber
dennoch. Was den Sprecher der SPD zu dem an das darüber empörte
Publikum gerichteten Appell veranlasste, man solle sich im Hinblick auf die
kommende Wahl genau merken, wer hier welche Interessen vertrete.
Engelszunge Stimme abgeben Wählt Häussler ! Peter K. aus Vaihingen hat in der Schule aufgepasst und gelernt: Bürgerliche
Demokratie ist, wenn man alle vier oder fünf Jahre zwischen verschiedenen
Parteien und Personen wählen kann. Und das hat er auch gemacht, viele
Jahre lang. Mal in der Hoffnung, dass eine ganz neue Politik kommen werde,
später eher halt das „kleinere Übel". Lernprozess Bebauungsplan Fruchtsaft-Areal (Daimler-Zentrum) Das wäre aber nicht mehr nötig gewesen. Die Stadtverwaltung hatte bereits selbst unmissverständlich demonstriert, dass ihr die Einwendungen und Anregungen der Bürger scheißegal sind. Bereits vor Monaten hatten der Oberbürgermeister und Rudi Häussler der
Presse fertig ausgearbeitete Pläne präsentiert, wie das Gebiet bebaut wird.
Lange bevor sich im zuständigen Stadtplanungsamt irgend jemand mit dem Entwurf
für einen Bebauungsplan beschäftigt hatte oder gar der Gemeinderat gefragt
worden wäre. Damit man nun auch noch eine Baugenehmigung erteilen kann, bevor der Bebauungsplan
endgültig beschlossen ist, musste die "frühzeitige
Bürgerbeteiligung" stattfinden. Und wie wichtig man die nimmt
hätte schöner nicht demonstriert werden können: Auf den letzten
Tag vor den Sommerferien terminiert, Ankündigung im Amtsblatt eine knappe
Woche vorher, der Bezirksvorsteher ist schon im Urlaub, die Presse (außer
VorOrt) fehlt. Einwendungen können bis 19. Oktober vorgebracht werden Nach Ansicht der Initiative Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21 kann die Planung des Milliarden-Lochs Stuttgart 21 nur in dieser Phase, nämlich in der sogenannten Vorhabensbegründung, erfolgreich angegriffen werden. Die Initiative ruft daher alle Stuttgarter, die das unsinnige Projekt ablehnen,
auf, Einwendung gegen die Pläne vorzubringen. Auf den Internet-Seiten
der Stuttgart 21–Gegner kann hierzu eine Mustereinwendung, die vom
Einzelnen beliebig ergänzt und variiert werden kann, heruntergeladen
werden. PDS - Sozialistische Alternative ? Daß auch die PDS zunehmend den Gang der SPD hin zum Verwalter des
Kapitalismus geht, ist spätestens seit der Berliner Koalition unübersehbar.
Der Grund, warum es in Baden-Württemberg trotzdem oder gerade deshalb gut
sein könnte, sie zu wählen heißt Winfried Wolf, der auf Platz 1
der Landesliste steht. Er steht für die Beibehaltung oder Wiedererlangung
einer klaren sozialistischen Linie. Sein Wiedereinzug in den Bundestag könnte
seine Positionen in der Partei stärken oder wenigstens die in der
PDS ärgern, die sich beim Kriegstreiber Bush glaubten dafür
entschuldigen zu müssen, daß Wolf ihm aus dem Bundestag heraus
ein Transparent mit der Aufschrift: Stop your wars, Mr. Bush and Mr. Schröder,
gezeigt hatte. Wählt Schroiber ! Jede Stimme zahlt Titel der Zeitschrift konkret, September 2002 Der Verbund Vaihinger Fachgeschäfte richtet für Häussler
ein „Bürgerfest" aus Zur Grundsteinlegung für die Schwaben-Galerie hat der Verbund Vaihinger Fachgeschäfte für Rudi Häussler ein Fest organisiert. Die schöne Feier könnte sich allerdings bald als vorgezogenes Schlachtfest vieler Existenzen eben dieser Kleingewerbetreibenden erweisen. Die immer noch meinen, die Einkaufstempel der Schwaben-Galerie würden auch
den bestehenden Einzelhandel beleben, könnte der Blick ins Umland eines
schlechteren belehren. Wie kürzlich die Calwer Kreiszeitung zu berichten
wußte, mußten dort allein in diesem Jahr 14 Einzelhandelsgeschäfte
ihre Tore schließen, nachdem am Ortseingang ein Kaufland eröffnet
hatte, dessen Bau einst genau mit der Begründung einer zu erwartenden
Belebung der Geschäfte im Ortskern durchgesetzt worden war. Ganz schön was erreicht (Le Monde diplomatique, 9.8.2002) Kriegsverbrecher-Prozess gegen Milosevic: von Flop zu Flop Man hört nur noch wenig über den einst groß aufgemachten Prozess gegen Slobodan Milosevic in Den Haag. Das kann daran liegen, dass dort die NATO-Begründungen für den Überfall auf Jugoslawien immer lauter zerplatzen. Wie zuletzt als die Anklage mit dem 2001 verhafteten und seither wohl präparierten Zeugen Markovic, ehemals Chef der jugoslawischen Staatssicherheit, den entscheidenden Schlag gegen Milosevic führen wollte. Milosevic befragte den Zeugen zu dessen dem Gericht schriftlich vorliegender Aussage, Milosevic habe die Vertreibung von Albanern aus dem Kosovo angeordnet. Milosevic: ... Du hast unzählige Berichte, die von Angehörigen aller Ebenen der Staatssicherheit angefertigt wurden, gelesen. Ist es so ? Markovic: So ist es. Milosevic: Bekamst du irgendeinen Bericht oder irgendwann den Befehl, die Albaner mittels Gewaltanwendung aus dem Kosovo zu vertreiben ? Markovic: Nein, so einen Bericht habe ich weder bekommen noch darüber etwas gehört... Milosevic: Hast du irgendwelche Informationen bekommen, die auf die Existenz so eines Befehls, eines Plans, einer Anordnung hinweisen könnten, oder daß irgendwie suggeriert wurde, die Albaner gewaltsam zu vertreiben? Markovic: Nein, ich habe niemals so eine Information bekommen, es gab keine Andeutungen, ich kenne keinen Plan, die Albaner zu vertreiben. Milosevic: Du hast an Sitzungen teilgenommen, und zwar nicht nur auf der Ebene des Innenministeriums und anderer Ministerien und der Armee, sondern auch an Sitzungen bei mir. Erinnerst du dich, dass auf diesen Sitzungen gerade das Gegenteil angeordnet wurde, nämlich der Schutz der Zivilisten während unserer Aktionen gegen die Terroristen ? Markovic: Natürlich. Verpflichtend war nicht nur der Schutz der serbischen, sondern auch der albanischen Bevölkerung. Die ...Sonderpolizei hatte die Aufgabe, die einen wie die anderen zu schützen. Milosevic: Hast du irgendwann einmal gehört, dass irgend jemand bei der Polizei oder dem Militär die Vertreibung oder nationalistische Diskriminierung von Zivilisten befohlen, angestiftet, geplant oder nahegelegt hat? Markovic: Nein, so etwas habe ich niemals gehört. Milosevic: Lag dir im hier behandelten Zeitraum irgendein Bericht darüber vor, dass Angehörige der Staatssicherheit oder der Sicherheitsorgane irgendwelche Kriegsverbrechen im Rahmen eines Plans begangen haben, den die Staatssicherheit, die Polizei oder die Sicherheitsorgane konzipiert hatten ? Markovic: Nein. Kein Verbrechen. Ich bekam keinerlei Informationen über solche Kriegsverbrechen. Im Kosovo haben einzelne Militär- und Polizeiangehörige Straftaten verübt. Die uns bekannt gewordenen Vorfälle wurden gemäß der Vorschriften geahndet und vor Gericht gestellt. (...) Milosevic: Kannst du dich an die Sonderbefehle des Oberkommandos erinnern, in denen Brandschatzungen albanischer Häuser und Entwendung des persönlichen Eigentums von Albanern verboten wird ? Markovic: Das wurde mehrfach befohlen, und auf das Verbot der Brandschatzung und der Plünderung haben Sie, Vertreter des Innenministeriums und Vertreter des Militärs insistiert ... Milosevic: Hier steht, was du gegenüber den Untersuchungskommissionen der (jugoslawischen) Bundesregierung ausgesagt hast: „Sie verlangten von mir, Slobodan Milosevic zu belasten, und sie verlangten, dass ich Straftaten zugebe und dazu aussage, sie seien mir von Milosevic befohlen worden." Ist das so ? Markovic: Ja, so ist es. Mir ist gesagt worden, dass ich persönlich in diesem Falle nicht zur Rechenschaft gezogen werden würde, sondern, dass ich frei in ein Land meiner Wahl ausreisen könnte und eine neue Identität bekäme ... Sie sprachen über meine schwere Lage und machten mich auf alle möglichen weiteren Konsequenzen aufmerksam. Dann boten sie mir als Alternative an, Milosevic als Auftraggeber der Verbrechen zu beschuldigen, dadurch werde meine Verantwortung getiltgt. |
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