VorOrt
Nr.29, Juni 2004 Zeitung für das andere Vaihingen
Planungswerkstatt zur weiteren Entwicklung der Ortsmitte Kaum, dass er die eine Hälfte der Vaihinger Ortsmitte noch vor ihrer Fertigstellung gewinnbringend wieder veräußert hat, greift Rudi Häussler schon auf die andere Hälfte zu. Sein Büro-und Handels-Projekt an der Stelle der von ihm erworbenen Gebäude der LBBW und Schuh-Grau (Bild) stieß allerdings selbst bei der Stadtverwaltung auf Ablehnung. Der Initiativkreis Schwabenbräu-Areal nahm den erneuten Häussler-Vorstoß zum Anlass, die Bewohner Vaihingens aufzurufen, ihre Vorstellungen über die weitere Entwicklung der Ortsmitte ins Gespräch zu bringen. In einem „Planungsworkshop" über die städtebauliche
Entwicklung des Gebietes zwischen Bahnhof und Hauptstrasse, zu dem der
ISA eingeladen hatte, erarbeiteten Stadtverwaltung, Städteplaner
und ca. 50 Vaihinger Bürger/innen nun Rahmenvorstellungen
für die zukünftige Gestaltung dieses Viertels. Besonderen
Wert legten die Vaihinger dabei auf die Schaffung und
Erweiterung öffentlicher Plätze und Räume, an denen man
gerne verweilt. Von den Teilnehmer/innen positiv aufgenommen wurde,
dass die Vorstellungen der Stadtverwaltung hier in eine ähnliche
Richtung gehen. Baubürgermeister Hahn sagte, dass die bestehende
Baulinie südlich der Hauptstrasse um etwa 8 m auf die Höhe
des Daimler-Zentrums zurückgenommen werden solle. Entlang der
Robert-Koch-Str. werde sie sich auf der Höhe des Tagheims
befinden. Dies ermögliche dann eine großzügigere
Gestaltung öffentlicher Wege und Räume. Hahn erklärte
in diesem Zusammenhang auch: „Die vorliegenden Pläne für
das sog. „Corner-Haus" an Stelle der LBBW passen nicht in die
Planungen der Stadt und werden nicht umgesetzt."
Zur Erinnerung
30. Rohrer Seefest Am 19. und 20. Juni wird der Jugendclub Rohr sein nunmehr 30. Rohrer Seefest
veranstalten. Ab 12 Uhr bis in den Abend werden am Samstag und Sonntag eine
Vielzahl von Musikgruppen auftreten, von denen viele schon bei vergangenen
Seefesten große Begeisterung beim Publikum hervorriefen. Was hier zum
Jubiläumsfest aufgeboten wird, ist, wenn auch nicht das Beste der letzten 30,
so doch wohl der letzten fünf Jahre.
VorOrt sprach mit ARD-Reporter Thomas Aders Irak-Besatzer Im Februar dieses Jahres führte VorOrt ein Gespräch mit dem ARD-Reporter Thomas Aders über dessen Eindrücke im Irak, den er zu diesem Zeitpunkt bereits 5 mal besucht hatte. Von März bis April war T. Aders jetzt wieder in dem besetzten Land und sah vieles, was er damals befürchtet hatte auf's schlimmste bestätigt. Hier das Interview vom Februar in Auszügen. Wieviele Menschen starben nach Ihrer Kenntnis während der direkten Kriegshandlungen ? Sicher etwa 4000 bis 5000 Zivilisten, was für diesen Feldzug relativ wenig war. Über getötete irakische Soldaten gibt es keine Zahlen, es müssen aber zehntausende gewesen sein. Zum Teil wurden ja auch Cluster-Bomben eingesetzt und da sind die Personenopfer erheblich. Wie ist die Stimmung der Bevölkerung den Besatzungstruppen gegenüber ? Man muss da sehr unterscheiden zwischen verschiedenen Regionen im Irak. Im Norden und im Süden sind die Leute, die ja auch am meisten unter Saddam gelitten haben, den Besatzern gegenüber erst mal eher positiv eingestellt. Natürlich gibt es auch da radikale Schiiten oder kleinere Kurdenparteien, die die Besatzungstruppen bekämpfen. Je weiter man dann aber nach Bagdad hinkommt, also in sunitische Gebiete, desto feindseliger wird die Stimmung. Hier haben inzwischen auch die Gemäßigten oder eher neutral Eingestellten durch die Fehler der Besatzungspraxis eine ganz andere Einstellung bekommen. Ein Beispiel: Wenn die Amerikaner nachts Razzien durchführen, passiert ständig folgendes: Sie gehen da einfach mit ihren Stiefeln in die Wohnungen rein, geben den Frauen keine Zeit zum Umkleiden, sehen sie also unverschleiert und das ist praktisch eines der größten Verbrechen sittlicher Art und sie haben sofort die ganze Sippe gegen sich, d.h. die ganze Familie – 50 Leute – werden zu Feinden der Amerikaner und versuchen Rache zu nehmen. Und die Zahl derer, die den Besatzern gegenüber immer aggressiver werden, wächst täglich. Oder sie machen Razzien in Kirchen, was ihnen kein Gläubiger verzeiht. Die Stimmung in Bagdad wird von Woche zu Woche aggressiver. Hinzu kommt noch, dass viele Iraker, die anfangs den Amerikanern gegenüber eher
neutral bis wohlgesonnen waren, nicht verstehen, warum es mit dem Wiederaufbau und
den versprochenen Verbesserungen der Lebensbedingungen nicht vorangeht.
Wir müssen im Moment von einer Arbeitslosenrate zwischen 40% und 50% ausgehen
und diejenigen, die Arbeit haben, kriegen noch das Gehalt von früher, was eben
auch nicht sehr berauschend ist, angesichts der Tatsache, dass Lebensmittel sehr viel
teurer geworden sind. Und jetzt kommen immer mehr Luxusgüter, Exportgüter
ins Land und du siehst das alles, kannst es aber nicht kaufen. Haben die USA den Krieg nicht auch damit begründet, dass sie dem Land die Demokratie bringen wollen ? Es gab ja einige Begründungen für diesen Feldzug. Solche, die von Anfang an kein sich einigermaßen mit der Sache auseinandersetzender Mensch geglaubt hat, wie etwa Saddam unterstütze Terroristen. Auch eine Bedrohung durch den Besitz von Massenvernichtungswaffen war vielleicht nicht ganz aus der Luft gegriffen, in jedem Fall aber extrem übertrieben. Die Verletzung von Menschenrechten mögen eine Rolle gespielt haben, das war aber mit Sicherheit auch nicht der wirkliche Grund für den Einmarsch. Dann kommen wir zum Thema Weltstrategie als dem entscheidenden Kriegsgrund:
Es geht ihnen darum, den sehr widerspenstigen, sehr amerikafeindlichen Mittleren
Osten durch Einpflanzung einer zumindest demokratieähnlichen Gesellschaft
aufzurollen. Und da haben sie sich natürlich das Land herausgesucht, was
mit allem, was im Nahen Osten rar ist, sehr viele Pluspunkte macht. Wasser z.B.
Der Irak ist das wasserreichste Land in der ganzen Region außer vielleicht
der Türkei. Und wenn das nicht funktioniert, wird dann als nächstes Syrien oder der Iran gewaltsam „demokratisiert"? Es gibt Gedankenspiele, nach denen das schon geplant ist. Das werden ir sehen. Ich glaub's aktuell allerdings nicht nach diesem Beispiel, wo es so einfach wie es sich die US-Regierung vorgestellt hat eben doch nicht geht. Die stecken da richtig in der Klemme.
AUF Stuttgart – Wahlbündnis zur Kommunalwahl Die Unzufriedenheit mit der Einheitspolitik der bisher den Gemeinderat bestimmenden Parteien von CDU bis Grüne ist in den letzten 5 Jahren deutlich gewachsen. Gerade in Vaihingen mussten viele enttäuscht feststellen, dass auch SPD und Grüne entgegen ihren Wahlversprechungen ihre Politik nicht an den Interessen ihrer Wähler, sondern vor allem an denen kapitalstarker Investoren ausrichten. Sich nicht mehr verlassen auf schöne Versprechungen der Parteien vor den Wahlen wollen auch die Initiatoren des überparteilichen Personenwahlbündnisses AUF (alternativ, unabhängig, fortschrittlich), das erstmals zur Gemeinderatswahl am 13. Juni kandidiert. Anstatt den Eindruck zu erwecken, im Falle einer Wahl die Dinge im Interesse der Bevölkerung stellvertretend zu „richten", will AUF „die Betroffenen ermutigen, für ihre Belange selbst aktiv zu werden und ihnen bei der Durchsetzung ihrer Interessen helfen. Die parlamentarische Arbeit soll dazu genutzt werden, immer mehr Menschen dabei zu unterstützen, „sich für ihre Belange mit kämpferischen Mitteln zusammenzuschließen. Die Hauptarbeit des Wahlbündnisses soll daher auch nicht von den Mandatsträgern, sondern von der Basis in den Stadtteilen gemacht werden, wo in Bürgerinitiativen für bessere Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen gekämpft wird. Allen, die aus der Politik des Stuttgarter Gemeinderats in den letzten
5 Jahren gelernt haben, dass die Wahl der „richtigen" Partei
wohl nicht ausreicht, um der Zerstörung der Umwelt und Verschlechterung
der Lebensbedingungen Einhalt zu gebieten, sondern man selbst Vorort aktiv
werden muss, könnte AUF nicht nur eine Wahlalternative, sondern auch
eine Möglichkeit der Organisation in Stadtteilinitiativen bieten.
Sozialstaat: Ende 2003 beschlossen Regierung und CDU/FDP die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. VorOrt fragte Norbert Jochum Schäfer, Leiter der Sozialamtsdienststelle Stuttgart Mitte/Nord nach Umsetzung und Auswirkungen der neuen Gesetze, die zum 1.1.2005 in Kraft treten sollen. VorOrt: Mit den neuen Gesetzen sollen Doppelstrukturen abgebaut und die kommunalen Haushalte bei den Sozialausgaben entlastet werden. Wird dieses Ziel erreicht ? N.J-S.:Das ist die Theorie. In der Praxis bedeutet dies, dass zwei bisher absolut unabhängig arbeitende Behörden, die zentrale Bundesagentur für Arbeit und Teile der kommunalen Sozialverwaltung zusammengelegt werden, bzw. in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeiten sollen. Diese „Fusion" soll zum 31.12.04 abgeschlossen sein. Die den Kommunen versprochene finanzielle Entlastung wird es nach ersten Berechnungen auch in Stuttgart nicht geben. Man rechnet im Gegenteil mit einer weit höheren Belastung des kommunalen Haushalts. VorOrt: Wie weit sind die Vorbereitungen zur Umsetzung der neuen Strukturen vorangeschritten ? N.J.S.: Die Zusammenlegung zweier bisher unabhängig arbeitender,
unterschiedlich strukturierter Behörden in einem so knapp
bemessenen Zeitraum ist ziemlich unrealistisch. So befindet sich
das neue notwendige EDV-Verfahren heute erst im Entwicklungsprozess.
Wer, wie und in welcher Höhe am 1.1.2005 Leistungen an die dann
nach neuem Recht berechtigten Hilfebezieher – und das sind
mehrere Millionen Menschen in der BRD – auszahlt, ist noch
völlig ungeklärt. Es gab bis Ende Mai noch kaum klärende
Gespräche zwischen Arbeits- und Sozialverwaltung, da die einzelnen
Arbeitsverwaltungen erst nach Rücksprache mit der Zentrale in
Nürnberg tätig werden können. Und das kann dauern. VorOrt: Angenommen es kann doch noch alles rechtzeitig geregelt werden, bleibt für die Arbeitslosen wenigstens die Höhe der Leistungen erhalten ? N.J-S.: Nein. Das neue SGB II – Grundsicherung für Arbeitslose bringt einen weiteren massiven Abbau der Sozialleistungen. Die Arbeitslosenhilfe war in der Regel höher als die Sozialhilfe. Nach dem neuen Gesetz wird der Arbeitslose gleich nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld auf die Höhe der Sozialhilfe herabgesetzt. Und diese hat dazuhin nicht mehr wie bisher die Bedarfsdeckung zur Grundlage. Leistungen, die bisher im Einzelfall zusätzlich zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt bezahlt wurden, sind dann bis auf wenige Ausnahmen im Regelsatz enthalten.
VorOrt fragt seine Leser/innen:
Jugendhausclub Degerloch wehrt sich gegen Schließung
Seit bald 30 Jahren gibt es in Degerloch ein selbstverwaltetes Jugendhaus. Treffpunkt nicht nur für Punks und Freaks sondern für alle, die ihre Freizeit nicht in betreuten Einrichtungen oder auf der Straße erbringen wollen. Hier haben Jugendliche aus allen Gesellschaftsschichten und egal welcher Herkunft die Möglichkeit neben Schule und Beruf ihr Leben selbstbestimmt und basisdemokratisch zu gestalten. Ob Bandproben, Kunstwerke im Atelier, Fotoarbeiten im Labor, Grillen im Grünen oder sich einfach nur mit Freunden treffen- alles und noch viel mehr ist im Jugendhausclub an der Oberen Weinsteige möglich. Der ideale Platz für die Jugend um sich auszutoben, soziales Miteinander und Selbstbestimmung zu erfahren, sollte man zumindest meinen. Der Stadt scheint aber gerade diese Selbstverwaltung durch ehrenamtliches Engagement ohne Fremdhilfe bezahlter Sozialpädagogen ein Dorn im Auge zu sein. Das OBW9 soll weg! Dafür vortierten außer der PDS alle Stuttgarter Gemeinderäte. Anstelle von Selbstverwaltung soll hier ein betreutes Kinder- und Jugendhaus für Kinder von 6-14 entstehen. Plan und Platz für ein friedliches Nebeneinander der beiden Häuser, wo Jugendliche freie Wahl der Einrichtung haben, sind vorhanden. Doch diese Vorstellung scheint den meisten Damen und Herren der Stadt zu absurd zu sein. Stattdessen versuchte man in der Vergangenheit den JHCD nach Cannstatt auf den Güterbahnhof abzuschieben, wo aus Selbstverwaltung Überwachung, Kontrolle und Kommerz werden sollte. Dass dieses Angebot keine Alternative darstellt, wurde in den vergangenen Wochen per Brief an Jugendamt, Verwaltung, Stadträte und durch eine Pressekonferenz zum wiederholten Male eindeutig klargemacht. Nun sieht es so aus, dass der Jugendhausclub ohne Alternative noch dieses Jahr das Haus zu räumen hat. Um darauf aufmerksam zu machen, gab es am Samstag, dem 15.05.04 eine Demo vom Marienplatz bis zum Rathaus. Es war eigentlich der perfekte Tag- die Sonne schien und es herrschte eindeutig eine gute und friedliche Stimmung. Nach der Zwischenkundgebung am Rotebühlplatz gingen die meisten nach Degerloch, um gemütlich draußen in der Sonne zu sitzen und die Vokü zu genießen. Am Abend konnte man, wenn man denn den gemütlichen Platz am Feuer verlassen wollte, sich im Haus mit Reggae, Ragga, Dub und Dancehall beschallen lassen. Alles in allem ein schöner und friedvoller Tag. Ein klein wenig enttäuschend war allerdings die geringe Teilnehmerzahl, die sich schätzungsweise auf 150 belief. Was zur Folge hatte, dass das Verhältnis zwischen Polizisten und Demonstranten fast 1:1 war. Dabei ist Samstag, 14.00 Uhr, doch eigentlich eine Zeit, in der es möglich sein sollte, für eine gerechte Sache auf die Straße zu gehen. Der Kampf geht weiter- OBW9 bleibt! |
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